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Originalton + Schauspieler

Was passiert wenn ich leise spreche... kann man das nicht einfach lauter drehen und meine Stimme wirkt satt und klar, ohne dass ich auf die Tube drücken muss und Gefahr laufe zu outrieren?


Die kurze Antwort:

Ja, wenn alles, was das Mikro „hört“ ganz allein Deine Stimme ist.

Nein, wenn es andere Geräusche rundherum auch gibt, weil damit nicht nur Deine Stimme, sondern alle anderen Geräusche rundherum genauso lauter gemacht werden und das an den Verhältnissen zwischen Deiner leisen Stimme und den lauten Geräuschen erstmal nichts ändert.

Die lange Antwort ist differenzierter und gibt uns schon ein paar Handlungsspielräume:

Bei der Filmaufnahme leise zu sprechen gibt vielen SchauspielerInnen Gelegenheit, „bei sich zu bleiben“ und „natürlich“ zu wirken. Es nimmt manchmal sogar die Angst zu outrieren. Denn leiser ist intimer, man ist näher beim aktuellen Körpergefühl, muss das Zwerchfell nicht anspannen und das überträgt sich: Die Intimität ist authentischer als das laute Bühnensprech. Schließlich ist es einer der wenigen Vorteile des Films, dass man vor der Kamera „klein“ und „leise“ spielen, jedoch akustisch und optisch sehr präsent sein kann.

Auch ich verstehe diese Überlegung. Punkt. Ich respektiere sie und unterstütze sie nach Möglichkeit, das heißt: wo immer ich irgendwie kann! Ich sehe es als wesentlichen Teil meines Berufs, Dir aus den oben erwähnten Gründen „leises Sprechen“ zu ermöglichen. Dennoch, es funktioniert nicht immer. Lies dazu einige Fakten und Erfahrungen:

Leise sprechen, die erste:

Mikrofone „hören“ grundsätzlich Töne aus allen Richtungen. Es gibt Richtmikrofone, die aufgrund ihrer Bauweise eine bestimmte Richtung des einfallenden Schalls bevorzugen, aber auch sie wandeln Schallwellen, die aus anderen Richtungen auf ihre Membran treffen, in die gleichen elektrische Impulse um wie den Ton Deiner Stimme, nur etwas gedämpft und akustisch ein bisschen verfärbt.

Die einzige Möglichkeit, Deine Stimme im Verhältnis zu den Umgebungsgeräuschen „laut“ zu machen, besteht darin, ein Mikrofon so nah an Deinen Mund zu bringen, dass die lauten Geräusche in der Umgebung einfach durch die größere Distanz vom Mikrofon in den Hintergrund treten. Das ist genau so, wie wenn sich jemand zu dir neigt und mit dem Ohr ganz nah an Deinen Mund kommt.

Auch aus diesem Grund hat es sich in den letzten Jahren eingebürgert, dass jede/r SchauspielerIn bei Filmaufnahmen ein Funkmikro an der Kleidung oder am Körper trägt. Damit  erhalte ich mir die Chance, auch bei lauterer Umgebung Deine Stimme klarer und „näher“ aufzunehmen, als das mit einem „Angelmikrofon“ bedingt durch den Bildausschnitt der Kamera möglich wäre.

Das sichert mir (und Dir!) mal gute Karten im Bemühen um Intimität. Leider wiederum mit ein paar Einschränkungen:

  • Am Körper getragene Mikrofone nehmen wie alle anderen Mikros Geräusche völlig ungewichtet auf. Für das Mikro macht es keinen Unterschied, ob es sich um Deine Stimme oder das Reiben Deiner Seidenbluse an Deinem Blazer handelt. Laut geht vor Leise und Nah vor Entfernt. Also sind Reibegeräusche (die Bluse) in 3 cm Entfernung vom  Mikro im Verhältnis 10x lauter als Deine Stimme, die es immerhin 30 cm weit schaffen muss. Wenn Deine Stimme 10x so laut ist wie Dein Blazer (das ist realistisch), höre ich beide gleich laut (die zwei „matchen“ sich dann auf Augenhöhe, stell Dir mal vor, wie das klingt!)

    Es braucht eine Menge Erfahrung, ein Ansteckmikrofon so anzubringen, dass es keine Kratz-, Klopf- oder Schabegeräusche der Kleidung überträgt. Während der Probe beobachte ich Deine Bewegungen und Deine Körperhaltung, um zu sehen, wie Die einzelnen Teile Deiner Kleidung „fallen“ und wo der beste Platz für Dein Ansteckmikro sein wird. Und darum „baue“ ich nach Möglichkeit Dein Mikro erst ein, wenn ich eine Probe gesehen habe.
  • Schall braucht Luft um sich ungehindert ausbreiten zu können. Unter Deiner Kleidung nah an Deinem Körper gibt es allerlei Miniaturräume aus textilen Schichten, die nicht Luft sind und den Schall auf jeweils verschiedene Arten ablenken, filtern, reflektieren und damit seinen Klang abschwächen und verändern. Je mehr textile Schichten sich zwischen Deinem Mund und Deinem Mikro befinden, desto dumpfer und unnatürlicher wird der Klang Deiner Stimme, wobei es bei geringer Schallenergie überhaupt nur ein paar wenige Frequenzen durch die Schichten Deiner Kleidung schaffen. Aus diesem Grund bringe ich Dein Ansteckmikro so weit außen und so frei wie möglich an, gerade so, dass es von der Kamera nicht gesehen werden kann.
  • In diesem Sinn stell Dir vor, dass Du Dir beim Sprechen eine Bettdecke vor den Mund hältst. Ähnlich „hört“ ein Ansteckmikro Deine Stimme , wenn es sich unter Deiner harmlosen leichten Steppjacke befindet, die Du beim „einbauen“ bzw „verkabeln“noch nicht anhattest.
    Du hilfst mir (und Dir!), wenn Du zur Mikrofonmontage in deiner fertigen Kleidung kommst, das heißt, mit Jacke, Schal, Krawatte, Halstuch, Mütze und auch Handtasche, sofern der Riemen Deiner Tasche quer über Deine Brust verläuft. Nur dann kann ich qualifiziert entscheiden wo das Mikro Deine Stimme einerseits halbwegs raschelfrei, andererseits „luftig“ genug aufnehmen wird. Da immer die obersten Schichten zählen, sind die Accessoires besonders wichtig, der Schal und auch Deine Halskette, die möglicherweise genau dort baumeln wird, wo ich einen ruhigen luftigen Platz für Dein Ansteckmikro gefunden habe.

Leise Sprechen, die Zweite:

Im täglichen Leben sprechen die meisten Menschen intuitiv so laut, dass sie trotz des herrschenden Umgebungslärms verstanden werden können. Wir haben als Kleinkinder lange daran gearbeitet unsere Lautstärke optimal an die Gegebenheiten anzupassen, uns immer wieder ausprobiert, leise weinend oder auch sehr laut am Fliesenboden des Supermarkts. Aufgrund dieser Erfahrung steigern wir im Verkehr, in der Menschenmenge oder bei starkem Wind unsere Lautstärke; ist die Umgebung ruhig, dosieren wir den Pegel unserer Stimme intuitiv nach unten. Wer nebeneinander im Schlafzimmer im Bett liegt, wird leise reden (wenn nicht die momentane Emotion das Gegenteil bedingt). Wer nebeneinander auf einer belebten Strasse geht wo es zb noch windig ist, wird sehr laut werden (müssen), um eben noch verstanden zu werden. Im täglichen Leben können wir mühelos (und unbewusst) genau so laut sein, dass wir von anderen wahrgenommen werden ohne sie über die Maßen zu stören.

Zur Situation vor der Kamera habe ich dazu folgende Erfahrung: Manche SchauspielerInnen haben möglicherweise irgendwann die Entscheidung getroffen, dass „leiser“ = „besser“ ist. Wenn ich Euch „verkable“, also ein Funkmikrofon an Eurer Kleidung anbringe, kann ich jederzeit hören was Ihr sagt. Also nicht nur innerhalb der Szene, sondern immer. Eh klar. Mein Tongerät zeigt mir dann auch den momentanen Pegel Eurer Stimme an. Meine Erfahrung ist, dass Schauspieler, die in der Szene grundsätzlich leise sprechen, im alltäglichen Plauderton vor und nach der Szene gleich laut sind, wie alle anderen. Klar, Ihr wollt ja verstanden werden und an der Kommunikation teilhaben. Wenn grundsätzlich leise sprechende Schauspieler dann „spielen“, senken sie aber dann den Pegel ihrer Stimme ab, und zwar oft auf ein Maß, das im realen Leben vielleicht schon  gar nicht mehr funktionieren würde.

Denn leise zu sprechen geht grundsätzlich nur dann, wenn es rundherum ruhig ist, wenn die Gesprächspartner 100% aufmerksam sind und wenn sie räumlich nah sind (so dass man sich zb auch berühren könnte). In allen anderen Fällen müssen Deine PartnerInnen auf ihre Erinnerung an den geschriebenen Text zurückgreifen, um die Reaktion zu zeigen, die jetzt eigentlich angemessen wäre. Abgesehen davon, dass ich Deine Stimme nicht sauber aufnehmen kann, haben Sie auch keine Möglichkeit, intuitiv auf das zu reagieren, was Du sagst.

In den meisten Fällen gilt für mich die Faustregel: So lang Du in einer natürlichen, der Situation angemessenen Lautstärke sprichst, habe ich unter Ausnutzung aller Kniffe und Tricks meist auch eine gute Möglichkeit, Deine Stimme sauber aufzunehmen. Du musst also selten extra für den Ton lauter sprechen, als Du das im Normalfall tun würdest. Aber bitte auch nicht leiser, als es Dein natürlicher Impuls wäre, wenn die Kamera NICHT läuft. Sich beim Sprechen ungeachtet der realen Situation ins Leise-Sein fallen zu lassen, stellt den Originalton leider oft vor ein unüberwindbares Hindernis, da die Umgebungsgeräusche ja genauso laut bleiben und also im Verhältnis zu Deiner Stimme die  Oberhand behalten.